
"Mitziehen statt Durchdrücken" lautet der Titel des Diskussionspapiers von jüngeren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland Pfalz, das pünktlich zum SPD-Bundesparteitag in Bochum vorgestellt wurde. Auch aus dem Rhein-Erft-Kreis haben einige junge Kommunalpolitiker daran mitgewirkt: Stephan Renner (18 Jahre), Ratskandidat für Hürth-Efferen, die Bedburger Ratsmitglieder Bernd Coumanns und Guido van den Berg (beide 28) und der in der Frechener Kommunalpolitik tätige Helge Herrwegen (28 Jahre). Der kritische Titel des Diskussionspapier fasst das Kernanliegen, der jungen Sozialdemokraten zusammen: "Nur wer selber begeistert ist, kann auch andere begeistern. Das Papier soll einen ganzheitlicheren Ansatz für Politik der SPD anbieten", so die Mitautoren aus dem Rhein-Erft-Kreis.
Vor einigen Tagen hatten sich rund 25 junge Funktions- und Mandatsträger aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland Pfalz in
Köln getroffen, um an ihrer Denkschrift zu arbeiten, die sehr bewusst einen Beitrag von der Basis leisten soll. "Debattenbeiträge sollten auch von Stadt- und Gemeindräten kommen, die tagtäglich mit den Auswirkungen der großen Politik arbeiten müssen. Durch das politische Engagement auf kommunaler Ebene werden wir hautnah mit den Problemen unserer Mitglieder und Mitbürger konfrontiert", erklären die Ratsmitglieder Coumanns und van den Berg.
In ihrem Papier mahnen die jungen Mandats- und Funktionsträger an, dass in der alltäglichen, praktischen Politik deutlicher werden müsse, dass sich Regierungshandeln an den Grundwerten der Sozialdemokratie "Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit" orientiert. Gleichzeitig wird eine "Renaissance der Mitgliederpartei SPD" eingefordert. Stephan Renner, jüngster Delegierte auf dem Bundesparteitag in Bochum, hierzu: "Die strukturelle Mehrheitsfähigkeit einer Regierungspartei wird auch durch sinkende Mitgliederzahlen, Alterung und Anflüge von Resignation bei ehrenamtlich Aktiven bedroht. Unsere Ideen sollen einen Beitrag dazu liefern, das sozialdemokratische auch in Zeiten harter Reformen und Globalisierung wieder erkennbar werden zu lassen. Wir wollen wieder mehr Menschen für uns begeistern."
Entgegen dem weit verbreitenden Wachstumspessimismus setzt der SPD-Nachwuchs auf eine Strategie für Wachstum. Dafür müsse man die Forschungsmittel auf Technologien konzentrieren, die eine Breitenwirkung in die Wirtschaft und das private Leben erzielen. Schlüsseltechnologien hierfür sind Bio- und Gentechnologie, Nanotechnologie und die Solartechnologie. Die
gesetzliche Krankenversicherung müsse durch die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und bei der alle Einkommensarten berücksichtigt werden, fit gemacht werden. Das macht die sozialen Sicherungssysteme gerechter und
modernisiert die Lohnzentrierung aus der Bismarck-Zeit.
"Die SPD gibt keinen Menschen auf. Im Gegenteil, wir wollen jedem Menschen immer wieder neue Chancen ermöglichen", betont Bernd Coumanns ein Ziel der Sozialdemokratie. Barriere wie die Abstammung, das Einkommen der Eltern oder der Wohnort müssen überwunden werden. Deshalb wird beispielsweise für Städte eine klare Sozialraumorientierung
vorgeschlagen, in der die Menschen in sozialen Brennpunkten nicht allein gelassen werden dürften: "Wir wollen weniger konsumtive Hilfen und mehr aktivierende Hilfen", erklärt Guido van den Berg. Auch ein "Recht auf Strafe" wird in diesem
Zusammenhang eingefordert. Strafe dürfe dabei nicht missverstanden werden als Stigmatisieren und Ausgrenzen eines Menschen, sondern Strafe wird als verstanden, dem Menschen wieder eine klare Orientierung zu ermöglichen.
Zur Stärkung der Allgemeinwohl-Orientierung wird in dem Papier die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen gefordert, die verfassungsrechtlich die jetzigen Formen von Wehr- und Ersatzdienst ablösen soll und bei der zwischen
einem Sozial-, Umwelt- oder Wehrdienst gewählt werden kann.
Die jungen Sozialdemokraten skizzieren eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, die sowohl globale Lösungsmöglichkeiten wie eine globale Fusions- und Kartellkontrolle beinhaltet, als auch die Entwicklung einer europäischen sozialen Marktwirtschaft beschreibt. Auf nationaler Ebene wird ein transparentes Steuersystem gefordert, bei dem der Spitzensteuersatz durchaus über 40% liegen könne. Auch das Ehegattensplitting halten die Kommunalpolitiker für verzichtbar und setzen stattdessen auf eine Entlastung von Familien mit Kindern.
Bereits genau vor einem Jahr hatte der Kreis der jüngeren SPD-Kommunalpolitiker mit ihrem Papier zur NRW-Bildungspolitik: "Handeln statt Hadern" für Aufsehen gesorgt. Viele der damaligen Forderungen und Ansätze wurden von der Landespartei
übernommen und befinden sich mittlerweile in der Umsetzungsphase.
Das Motto der Denkschrift "Mitziehen statt Durchdrücken" knüpft auch sehr bewußt an Begriffe des SPD-Traditions-Liedes "Wann wir schreiten Seit an Seit" an, in dessen Refrain es heißt: "Mit uns zieht die neue Zeit". Genau unter dieser
Internet-Adresse ist das Papier auch öffentlich abrufbar: www.mit-uns-zieht-die-neue-zeit.de