
Es geht ums Ganze für Gerhard Schröder: Agenda 2010 – das Reformprogramm wird immer mehr zum Härtetest für seine sozialdemokratische Partei. Die Botschaft des Kanzlers seit Wochen heißt: Abschied nehmen von dem, was SPD-Mitgliedern bislang als selbstverständlich galt. "Wir werden Leistungen des Staates kürzen und mehr Eigenverantwortung von jedem Einzelnen abfordern müssen", sagte der Kanzler im März.
Doch in der Partei, in der Fraktion rumort es seit der Regierungserklärung. Die Führung hatte wohl gehofft, ohne Sonderparteitag über die Runden zu kommen. Doch jetzt war der Druck zu groß. Schröder lenkt ein, will sich von der Basis seinen Kurs absegnen lassen.
Kritik an den Reformvorhaben
Ausschlaggebend für den Sinneswandel an der Spitze war der Unmut in Teilen der Landesverbände am Wochenende. Zuletzt auf dem Landesparteitag in Schleswig-Holstein. Dort ging es hoch her. Die Nord-SPD sprach sich fast einstimmig für einen Sonderparteitag aus, man will bei den wichtigen und weitreichenden Reformen mitreden.
Claus Möller, der neue Landesvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, steht hinter dem Kanzler, setzt sich aber auch für Nachbesserungen der Agenda ein. "Ich halte die Entscheidung des Bundeskanzlers für richtig, sie entspricht einer Forderung des schlesigwig-holsteinischen Landesparteitags, die, das will ich auch deutlich sagen, gekoppelt war mit einem klaren ‚Ja‘ zur Notwendigkeit der Agenda 2010. Aber wir sehen eine starke Verunsicherung unserer Wähler und wir meinen, dass es hier Detail-Nachbesserungen geben muss, um die sozialdemokratische Identität der sozialen Ausgewogenheit zu erhalten.
Die Basis denkt anders
Szenenwechsel: Erftkreis in Nordrhein-Westfalen in dieser Woche. Auch in ihrem Wahlkreis muss die SPD-Abgeordnete Gabriele Krechen des Kanzlers Reformen erklären und verteidigen. Von einem Sonderparteitag war hier zwar noch nicht die Rede, aber auch hier gibt es Ängste um das soziale Gleichgewicht, Ängste um die sozialdemokratische Identität. Auch Benjamin Radermacher (SPD) hat seine Bedenken: "Die Basis ist konsequent anderer Meinung als das, was von der Regierung vorgelegt worden ist. Da muss man darüber diskutieren auch mit den Leuten, aus der Spitze der Partei, damit die mal sehen, dass es so nicht geht."
Das Konzept verstimmt die Basis.
Viel Arbeit für Gabriele Frechen. Sie hat noch einige solcher Veranstaltungen auf ihrem Terminplan, aber auch Schröder soll für seine Reformen noch kämpfen. "Ja, der Kanzler hat ja einen viel größeren Einzugsbereich als ich; und er muss natürlich auch nach außen hin überzeugen und er kann das auch sehr gut. Er muss in die Öffentlichkeit gehen und er muss sich an die Menschen wenden und muss ihnen klar machen, dass das sein muss." Was sein muss, das hat die Partei jetzt Gerhard Schröder erst einmal klar gemacht. Agenda 2010: Vor dem Umsetzen der Reformen steht der Basistest.