
Die Distanz zwischen Ost und West könnte kaum größer sein, zumindest geografisch: 750 Kilometer liegen zwischen Bedburg und dem brandenburgischen Vetschau, und diese Entfernung wollen die beiden Städte nun verkürzen, zumindest in den Köpfen ihrer Bürger.
Am Wochenende unterzeichneten Bedburgs Bürgermeister Willy Harren (CDU) und sein Vetschauer Kollege Axel Müller (SPD) im Stadtschloss der Niederlausitz-Stadt einen Vertrag, der die Beziehung verändern soll. Pflegten bisher fast nur Politiker und die Verwaltungen Kontakt, sollen sich nun Schulen, Vereine und Verbände austauschen. "Die Beziehung unserer Städte hat sich überholt", sagt Müller.
"Wir sind auf einer Augenhöhe"
"Als Bedburg 1990 nach der Wende die Patenschaft über unsere Stadt übernahm, wollten wir lernen, wie Verwaltungen arbeiten, weil wir davon überhaupt keine Ahnung hatten. Jetzt ist die Zeit reif, Schritte darüber hinaus zu gehen", meint Müller. Und auch Bedburgs Altbürgermeister Hans Schmitz (SPD), einer der Väter der Patenschaft, findet, "dass wir nun auf einer Augenhöhe sind".
Für Harren ist es kein Widerspruch, dass so lange nach der Wende zwei deutsche Städte eine Partnerschaft eingehen. "Die Verschiedenheit der Menschen und ihrer Dialekte, der Kulturen und der Traditionen macht diese Partnerschaft so einzigartig", sagt Harren. Und Christoph Schneider, Fraktionschef der CDU in der Vetschauer Stadtverordnetenversammlung, findet, "dass es noch genug Vorurteile im Ost-West-Denken abzubauen gibt".
Die Städte verbindet aber auch eine große Gemeinsamkeit: der Braunkohlentagebau. In Vetschau
wurden Kraftwerk und Tagebau schon 1996 stillgelegt. Die Stadt, die knapp 30Kilometer von Cottbus entfernt liegt, kämpft mit weitaus größeren Problemen als Bedburg. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei 23Prozent. Wer Arbeit sucht, findet sie meist im Westen. "Uns laufen die Jungen weg", sagt Schneider. Vor der Wende hatte Vetschau 9300 Einwohner, heute sind es noch 7300. Die Politiker gehen davon aus, dass die Einwohnerzahl auf 6000 fallen wird. Die Folge: Im nächsten Jahr wird eine von zwei Grundschulen geschlossen, auch dem Gymnasium droht das Aus, und viele Wohnungen stehen leer.
Die städtische Wohnungbaugesellschaft schleppt zudem 6,5 Millionen Euro Schulden mit sich herum. Altlasten aus der DDR-Zeit, weil die Stadt sich bei der Staatsbank für den Bau von Häusern verschuldete und das Geld bis heute nicht zurückzahlen konnte. "So paradox es klingt: Wir reißen Plattenbauten ab, weil niemand mehr darin wohnt, und die Schulden bleiben auf der Grasnarbe liegen", sagte Günther Biwanno von der Wohnungsbaugesellschaft.
Viele Jugendliche, die in Vetschau bleiben, suchen sich neue Leitbilder. Da wundert es nicht, dass parallel zum esuch der Bedburger Delegation beim "Spreewälder Gurkentag" und dem Fest zum 700-jährigen Bestehen der Stadt der Rechtspopulist Roland Schill mit einer Rede auf Stimmenfang ging. In derselben Nacht wurden laut "Lausitzer Rundschau" zwei 18-Jährige von "zwei der Polizei einschlägig Bekannten" mit ausländerfeindlichen Sprüchen beschimpft und in eine Schlägerei verwickelt, nach der alle vier im Krankenhaus landeten.
Wie es mit der Partnerschaft Bedburg-Vetschau weitergeht, steht noch nicht fest. Im Gespräch sind ein Sportfest oder ein Fußballturnier. Dass es dabei noch einige Mauern in den Köpfen einzureißen gibt, verrät die Bemerkung eines Mitreisenden über das Frühstück im Hotel: Daheim "in Deutschland" äße er nicht so viel.